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Eine Insel in einem Meer aus Pflanzen
Es wird behauptet, Saül liegt in einem der schönsten Wälder des Amazonas. Das ist natürlich relativ zu sehen.
Zumindest kann ich diese Sichtweise teilen. Garantieren kann ich hingegen, dass man im Amazonas-Nationalpark
(Parc Amazonien de Guyane) durch einen der vielfältigsten Wälder der Region “wandern” kann. Auf einem Hektar
Wald wachsen hier mehr Baumarten als in ganz Europa. Es gibt Orte, wo 400 verschiedene Baumarten auf einem
Hektar registriert wurden, hinzukommen Büsche und Schattengewächse. Die jüngsten Erhebungen verzeichnen 1.500
verschiedene Baumarten. In diesem Wald kommen auch alle charakteristischen Tiere des Amazonasgebiets vor. Es
ist allerdings nicht einfach, sie zu sehen. Dafür braucht man Erfahrung und viel Geduld. Nur die Affen leben
in Herden nahe dem Dorf, fast alle anderen Tiere sind Einzelgänger.
Das kleine Dorf Saül in Französisch-Guayana ist eine Insel in einem Meer aus Pflanzen.
Es zieht vor allem Pflanzenliebhaber in seinen Bann. Seine Lage mitten in einem der artenreichsten Wälder des
Amazonasgebiets ist einzigartig. Es ist an kein Straßennetz angebunden. Das Propellerflugzeug ist die einzige
reguläre Verbindung mit Cayenne (Aéroport International de Cayenne- Félix Éboué). Die Flieger mit ihren 4-20
Plätzen sind die Lebensader zur Außenwelt. Saul liegt auf einer Ebene, die Flugzeugpiste auf einer zweiten
Ebene, rundherum erheben sich 400-700 Meter hohe Hügel.
Für die Einwohner sind die Gäste eine willkommene Einnahmequelle. Zugleich liefert das Dorf ein Beispiel
dafür, wie das verarmte Übersee-Departement einen ökologisch und sozial nachhaltigen Entwicklungspfad
einschlagen kann. Die Propellermaschine ist in Cayenne gestartet. Schon kurz hinter dem Küstenstreifen wächst
nur noch dichter Wald. Baumkronen, soweit das Auge reicht. Hier und dort trägt ein Urwaldriese leuchtend
violette Blüten, sonst ist alles grün.
Nach einer knappen Stunde Flug zeichnet sich eine rotbraune Schneise ab. Der Pilot landet auf einer Piste.
Kaum hat er wieder abgehoben, geben Grillen, Schrecken und Frösche den Ton an. Neue, alte und verfallene
Holzhäuser stehen kreuz und quer auf kurz geschorenen grünen Wiesen. Dazwischen wachsen üppig blühende
Tropenpflanzen. Vom Dorf aus gelangt man sofort auf ehemaligen Goldsucher-Pfaden in den Urwald.
Manche, die hier mit dem Flugzeug landen, vergleichen Saül mit einer Insel in einem Meer aus Pflanzen. Früher
kamen vor allem Botaniker nach Saul. Sie konnten allenfalls bei Einheimischen übernachten. Inzwischen gibt es
sogar ein einfaches Hotel. Von etwa 100 Übernachtungsplätzen in Saul sind allerdings die meisten schlicht
Haken für Hängematten. Bis zu 4.000 Touristen pro Jahr besuchen das Dorf angeblich. An manchen Wochenenden
sind sogar mehr Besucher als Einwohner im Ort.