Die Mensch-Wald-Beziehung
anthropologisch und philosophisch Betrachtet

Eine häufig erlebte Situation, während ich mich mit dem Boot auf einem ruhigen Fluss durch den Regenwald bewege. Dabei fielen mir immer die grundsätzlich stark mit Vegetation zugewucherten Waldrand- bzw. Uferbereiche auf. Ein Durchdringen ohne technische Hilfsmittel (Machete) und Körpereinsatz erscheint hier aussichtslos. Als würde der Wald mir permanent signalisieren und deutlich sagen wollen, “hier kommst du nicht rein, hier ist kein Platz für dich".

So bin ich zur Überlegung gekommen, ob Mensch und Regenwald ein Widerspruch ist? Trotz aller meiner Regenwald-Faszinations-Bekundungen möchte ich einmal kritisch hinterfragen, inwieweit der Mensch dort überhaupt hingehört oder hineinpasst. Angesichts einer vorherrschenden bedrückenden Enge und weiteren ausladenden Faktoren sollte es doch logisch erscheinen, dass Menschen dort eigentlich fehlplatziert sind. Nicht umsonst gelten derartige Gebiete als “unerschlossen oder unzugänglich"

Vor ca. 6 Millionen Jahren hat ein Klimaumschwung große Teile des Urwalds von Ostafrika verdörren lassen. Evolutionär betrachtet waren seitdem unsere Australopithecinen-Vorfahren die einzigen, die sich nicht westlich in die verbleibenden Wälder zurückziehen mussten. Es war ihnen möglich, durch anatomische Anpassungsprozesse auch in der sich ausbreitenden Savanne zu überleben. Sehr wahrscheinlich gab es Zwischenstufen, die mehr oder weniger an beide Umgebungen angepasst waren. Diese Theorie gilt übrigens nach wie vor als ein Meilenstein der Anthropologie (Mensch-Werdung). Ein weiterer evolutionärer Aspekt ist der mit dem verlorenen Fell:

Die tropische Klimazone ist bekannt für ihre dauerhaft hohe relative Luftfeuchte (95–100 %). Viele aus heimischen Breitengraden empfinden das möglicherweise als unangenehm. Entsprechend minimal bekleidet betrachte ich diesen Umstand aber als vorteilhaft und empfinde ihn sogar angenehm. Wesentlich ist aber noch, zwischen feucht und nass zu unterscheiden, denn tatsächlich kann der Körper auch unter tropischen Verhältnissen bei Dauernässe auskühlen, von schädigenden Einflüssen auf die Haut mal abgesehen. Menschliche Regenwald-Bewohner oder -Besucher sind daher gut beraten, sich davor zu schützen, indem sie beispielsweise in ihren Behausungen verharren müssen, bis der Regen aufgehört hat. Tierische Bewohner sind hierbei mit ihrem Fell klar im Vorteil. Das Wasser perlt bei ihnen oberflächlich einfach ab oder sie brauchen sich nur zu schütteln.

Regen im Regenwald, für Menschen leider immer unpraktisch und lästig
Höchst beschwerlich mit 2 Beinen unter diesen Umständen voranzukommen
Touristen im Urwald wirken doch eher unbeholfen, freundlich beschrieben
Unsere evolutionäre Verwandtschaft ist im Urwald eindeutig klar bevorteilt

Fortschreitender Entfremdungsprozess des Menschen von der Natur

Gemäß der oben angeführten Argumente spricht offenbar nicht viel für den Regenwald als Lebensraum für Menschen. Trotzdem gab und gibt es Menschen, die sich mit den Regenwald-Bedingungen arrangieren, ermöglicht durch Intelligenz und Anpassungsfähigkeit. Ich meine konkret letzte indigene Stämme, die z.B. in bestimmten Gebieten von Peru und Ecuador zurückgezogen leben und sich teilweise sogar dem Kontakt mit der modernen Zivilisation widersetzen.

Korrekterweise muss erwähnt werden, dass auch sie zunächst den Wald teilweise zerstören müssen, z.B. für Behausungen, Ackerflächen usw. Entscheidend ist aber das Maß, wie es für das Waldökosystem tolerabel ist. Man kann hier also ehrlich und tatsächlich von einer nachhaltigen Lebensweise sprechen, die seit Jahrtausenden funktioniert!

Unser Fortschritts-Wahn (“Wachstum”), den ich auch gerne mit der Gier vergleiche oder gleichsetze, ignoriert und zerstört genau diese vorgelebte Ausgewogenheit.

Stattdessen lügen wir uns täglich, oft vermeintlich wissenschaftlich-ökonomisch untermauert, Vorstellungen (Innovationen) von Nachhaltigkeit zusammen, die den Entfremdungsprozess nur noch verstärken.

Aufgrund meiner Systemkritik, könnte man mir nun von unkritischer Seite vorwerfen, weshalb ich meinen Wohnsitz nicht einfach in den Regenwald verlege? Um dem vorweg zu greifen, mache ich mich als “Mittäter” ehrlich und versuche zu erklären, was mich von diesem Schritt abhält, denn es ist nicht nur eine Frage fehlenden Mutes oder Willensstärke. Denn zu tief bin ich mit diesem System verwurzelt, als dass ich die Kraft aufbringen kann, mich daraus zu lösen. Ich könnte auch plakativ von Abhängigkeit oder Sucht sprechen, vergleichbar mit einem Suchtkranken. Ich hänge sozusagen am süßen Tropf des Wohlstands. Und wie schwer es ist, sich aus einer Sucht zu lösen, sollte klar sein. Erschwerend hinzu kommen noch soziale und emotionale Bindungen. Natürlich betrachte ich das nicht als ein auf mich beschränktes Einzelphänomen.

Begegnung mit Huaorani-Indianer im Nationalpark Yasuní in Ecuador. Sie gehören zu einem Stamm, der nicht komplett den Kontakt zur Außenwelt verweigert.

Indigenes Wissen

Zu diesem Thema gibt es ➔ HIER noch einen separaten Beitrag.