Das Naturreservat Pacaya-Samiria in Peru

5°13'37.2"S 75°30'47.6"W

Ein weiterer Biopersitäts-Hotspot in Amazonien mit spektakulären Naturerlebnissen für Besucher, wie mich. Wer keine Luxus-Lodge bucht, sollte aber hart im Nehmen sein, wie sonst auch in Gebieten mit ähnlicher Beschaffenheit. Zunächst war ich allein unterwegs, um mich später einem Biologen-Team anzuschließen.

Das Abenteuer beginnt mit der Fahrt von Iquitos ins 100km entfernte Nauta. Dort liegt am Ufer des Marañon bereits eine Flotille von Langbooten vertäut, die Besucher ins Naturreservat Pacaya-Samiria bringen soll. Träger schleppen kistenweise Getränke an Bord, Berge von Bananen, palettenweise Eier. Mein Guide Perez ist in dem Wirrwarr verschwunden, um noch letzte Vorräte einzukaufen. Als alles verladen ist, tuckern wir den Marañon stromabwärts. Das Ufer zieht in hübscher, grüner Eintönigkeit vorbei. Ibisse lauern in der Böschung, Geier kreisen am Himmel. Auf einer Flussinsel werden von September bis Dezember Melonen, Papayas, Reis und Tomaten angebaut. Danach steigt der Fluss so stark an, dass alles überflutet ist.

Die Häuser der Dörfer stehen deshalb auf hohen Stelzen - anders als das, was die kommenden Tage mein Zuhause sein wird: ein schiefes Gebälk, darauf ein Dach aus Palmblättern. Als Urwaldcamp geht es nur mit viel gutem Willen durch: Es steht auf dem Bohnenfeld des Kapitäns.

Während der Kapitän auf seinem Boot das Abendessen zubereitet, führt mich Perez hinein ins Grün. Mit der Machete bahnt er den Weg, fällt ein paar Elefantenohren, wie die Colocasia auf Englisch heißen, und legt ihre Stämme als Brücke über einen Bach. Dann säbelt er sich weiter durch dichtes Schilf. Das Ziel der Schinderei ist ein See, auf dem die wohl schönste Wasserpflanze der Welt wächst: Victoria amazonica, die Amazonas-Riesenseerose. Dutzende der grünen Teller bedecken das Wasser, manche mit einem Durchmesser von zwei Metern. Dazwischen leuchten zartrosa Blüten.

Das Licht wird golden. Zeit zurückzukehren. Die Nacht kommt schnell in den Tropen. Als wir die Uferböschung hinab klettern, wartet der Kapitän schon auf dem Boot mit gekochtem Fisch, Reis und Tomaten. Gemessen an den Umständen ein ausgezeichnetes Dinner, serviert in Logenlage: Über Fluss und Urwald geht die Sonne unter und lässt die Ränder der Wolken rot glühen. Zeit zum Schlafen. Perez legt eine dünne Matratze unter das Schilfdach und spannt ein Moskitonetz auf. Es dauert nur ein paar Minuten - Zeit genug für einen Schwarm Mücken, der mit der Dämmerung über uns herfällt. Als Perez endlich die Enden des Netzes unter die Matratze gestopft hat, krieche ich unter den rettenden Gitterdom und erschlage die sieben Mücken, die mitgekommen sind. Hinter dem Netz lärmt die Armee der Vampire, am Horizont flackert ein Gewitter. Der Schlaf kommt schnell wie die Nacht.

Perez Stimme weckt mich, als die rote Sonne aus dem Morgennebel steigt. Perez brät Omelettes über dem Feuer, dazu gibt es Instant-Kaffee. Papageien kreischen in den Ästen. "Ich komme das ganze Jahr mit Touristen hierher", erzählt der Guide, "auch in der Regenzeit. Dann fahren wir eben mit dem Boot in die Kanäle."

Meine baufällig wirkende Unterkunft, die sonst wohl als Unterschlupf für Feldarbeiter dient. Doch dafür Guide und Koch nur für mich.
Ausblick von der Unterkunft auf den Marañon-Fluss mit reichlich Verkehr und interessanten Schiffen, wie diesem.
Der Kapitän, gleichzeitig Koch, führt vor, wie er Fische aus dem überfluteten Uferbereich des Marañon holt.

Perez hackt sich durchs Unterholz. Trotz seiner Vorarbeit ist das Wandern mühsam: Immer wieder muss man sich unter Ästen hindurch ducken, verfängt sich ein Schuh in einer Lianenschlinge, ritzen Dornen die Haut. Der Schweiß strömt. Aber der Regenwald ist die Mühsal wert. Hunderte Jahre alte Ficus-Bäume breiten ihr Blätterdach über uns aus, Bromelien hängen von den Ästen, die meterhohen Brettwurzeln schlängeln sich in alle Richtungen durch die Erde. Schwarze Hornwehrvögel starten mit schwerem Flügelschlag und empört oinkend, als wir ans Ufer eines Sees treten.

Perez zeigt auf eine Rinne in der Erde. "Das war eine Anakonda. Die Spur ist frisch, von diesem Morgen." Er stochert mit seiner Machete im Schlamm herum. "Irgendwo hier hat sie sich vergraben. Komm her!" Wir schrecken aber nur einen Baby-Kaiman auf, der schnell davon schwimmt. Wir rasten auf einer Lichtung.

Perez kennt den Wald perfekt und spürt auch die scheuesten seiner Bewohner auf. Den Nachtaffen, der an einem Ast hängt und dösig herabschaut. Den Ameisenbär, der sich in einen Baumstamm gekrallt hat. Und den Brüllaffen, der besonders schwer zu finden ist. Zuerst sehe ich nichts in dem grünen Wimmelbild, dann erkenne ich ein rotes Köpfchen. Lange starrt das Äffchen zu uns herab, als würde es uns mustern: Fressfeinde? Harmlose Spinner? "Er ist der Anführer", wispert Perez. Der Patriarch einer Gruppe von fünf bis sechs Affen.

Wir lassen dem Alphatier seine Ruhe und stapfen zurück. Dunkle Wolken quellen am Himmel. "Nein, heute regnet es nicht", sagt Perez. Minuten später Dusche. Ich rutsche auf einem Baumstamm aus. Ameisen beißen in meine Hand, als ich mich abstütze. Wir stapfen weiter, erschöpft und triefend. Ich habe meine Lektion gelernt. Der Regenwald ist wunderschön. Aber er ist nicht mein Revier.

Meine Demonstration der Überquerung einer "Brücke"
Blütenstand direkt am Stamm (Kauliflorie)
Epiphytische Columnea-Art, Fam. Gesneriaceae
Ein weiterer Epiphyt (Philodendren-Art)
Den 2. Teil meines Aufenthalts verbrachte ich mit einer Gruppe von Biologen
Warten am Río Samiria auf ein Boot
Der Untergrund während einer “Wanderung”. Die Gegend ist in weiten Teilen mehr oder weniger dauerhaft überflutet.
Auch bei diesem Projekt wird versucht, Wissenschaft und Tourismus sinnvollerweise miteinander zu verbinden.
Eine Riesenspinne mit roter Behaarung am Hinterleib. Ich konnte sie noch nicht bestimmen.
Die Brettwurzeln eines uralten Baumes
Amazonas-Riesenseerose, vor allem in stehenden Gewässern zu bewundern, am ersten Abend weiß, am zweiten rosa.
Unterwegs im Urwald unweit von Pucacuru ➔ 5°12'13.9"S 75°29'08.1"W
Ein Schwarzgesichtklammeraffe