Unterwegs im Südwesten von Surinam
Je weiter man sich in den Süden des Landes begibt, desto geringer die Besiedlungsdichte. Zudem verschiebt sich der Anteil afrikanisch stämmiger Bewohner zugunsten der indianischen Ureinwohner wie Tiriyó und Wayanas.
Im Süden des Landes verbrachte ich die meiste Zeit, auch weil der menschliche Einfluss auf die Natur kaum vorhanden ist. Ich hatte hier das Gefühl, extrem weit von der mir gewohnten Welt entfernt zu sein. Allein, wenn man bedenkt,
dass die gleiche Entfernung ohne Flugzeug bis zur Küste über das Flusssystem Wochen dauern würde.
Die Aufenthaltsorte hießen Kwamalasamutu, Sipaliwini und Alalapadu. Alle verfügen über eine Landepiste (Airstrip) für Kleinflugzeuge. Untereinander sind aber Bootsverbindungen üblich, wobei die Fahrt auf dem Sipaliwini-Fluss zwischen
Sipaliwini und Kwamalasamutu 8-9 Stunden dauert.
Fast täglich haben junge männliche Einheimische sich als Guides angeboten, um mit uns Touren in den umliegenden Regenwald zu unternehmen, mehr oder weniger anspruchsvoll, je nach Lust und Laune.
Die interessantesten Entdeckungen macht man nur auf diese Weise, denn sie wissen, kennen und zeigen alles für uns Relevante.
Obwohl man glaubt, sich in perfekter Harmonie und Sicherheit zu wähnen, schwelt in dieser Region tatsächlich ein Gebietskonflikt zwischen Guyana und Surinam um den Grenzverlauf, dessen Ursprung noch in die
Kolonialzeit fällt. Bemerkt habe ich das an einer gelegentlichen Militärpräsenz. Aber die indianischen Völker haben zudem auch ihre ganz eigenen Vorstellungen von Grenzen und Autonomie, so dass die jeweiligen Regierungen hier mit Fingerspitzengefühl
agieren müssen. Und wie ich finde, tun sie das recht erfolgreich. Immerhin werden in Surinam das Flugnetz und die Dörfer mit beachtlichen Mitteln subventioniert, um die Lage zu befrieden.




Das Dorf Sipaliwini
Sipaliwini ist ein Tiriyó-Dorf am Sipaliwini-Fluss. Das nächstgelegene Dorf ist Alalapadu, das auf der Karte 60 Kilometer nördlich liegt. Aufgrund der Windungen des Flusses ist der 83 km westlich gelegene Ort Kwamalasamutu jedoch leichter zu erreichen. Zur brasilianischen Grenze führen mehrere unbefestigte Wege durch den Wald. Von einer Grenze ist aber nichts zu erahnen.
Die Elektrizitätsanlagen wurden während des Surinamischen Bürgerkriegs zerstört und nur ein paar Dieselgeneratoren blieben in Betrieb. Seit 2019 verfügt das Dorf über Sonnenkollektoren, die rund um die Uhr Elektrizität liefern. Es gibt eine Schule, eine Klinik und eine Kirche. Die Wirtschaft basiert auf kleinbäuerlicher Landwirtschaft.



Die Sipaliwini-Savanne
Der größte Teil dieses Savannengebiets befindet sich auf brasilianischem Grundgebiet und gehört dort zum Nationalpark Tumucumaque. Von einer Grenze zwischen beiden Ländern ist nichts zu erahnen. Die Landschaft
ist von besonderer Schönheit. Eines unserer Ziele waren die “Vier Gebroeders”, ein 554 m hoher Berg mitten in der Landschaft, von dem man einen guten Überblick hat. Das große Foto oben zeigt den Ausblick nach Nordosten.
Um dort hinzugelangen, muss man sich ab dem Dorf Sipaliwini aber zunächst beschwerlich durch dichte Bewaldung schlagen, bevor diese abrupt endet. Vom Dorf existieren verschiedene Zugangsmöglichkeiten. Eine führt direkt nach Süden, etwa 10 km,
die andere direkt in Richtung Osten, etwa 3 km durch den Dschungel. Eine weitere, leichtere Zugangsmöglichkeit besteht mit dem Boot auf dem Sipaliwini-Fluss flussaufwärts nach Südosten.
Welche Kräfte hier wirken, die für den Wechsel der Vegetationsformen sorgen, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Menschliche Ursachen sind oder waren es jedenfalls nicht. Wie ich später erfuhr, muss eine
Erlaubnis zum Betreten des Gebiets vom Granman (Stammesführer) eingeholt werden, der in Kwamalasamutu lebt. Es hat aber niemand danach gefragt. Zudem waren wir ja in Begleitung von Einheimischen.
Das Wandern bzw. Vorankommen in der Savanne gestaltet sich im Vergleich zum dichten Urwald etwas einfacher, jedoch auch nicht ohne Hindernisse, wie z.B. Sümpfe. Ebenso kann die räumliche Orientierung erleichtert sein. Dennoch würde ich mich dort
niemals unbegleitet auf Entdeckungstour begeben. Ein Verirren wäre in dieser weitläufigen und hügeligen Gegend vorprogrammiert.






Das Dorf Alalapadu
Alalapadu ist ein Tiriyó-Indianerdorf. Es wurde von baptistischen Missionaren im Jahr 1961 neben der Landebahn von Alalapadu gegründet, um die Tiriyó der Gegend in einem zentralen Dorf zu konzentrieren. Es gibt keinen Strom und keine Schule. Die Kinder müssen ins Internat in Kwamalasamutu gehen. Die Wirtschaft basiert auf kleinbäuerlicher Landwirtschaft und einer Produktionsanlage für Paranussöl. Im Dorf gibt es eine Baptistenkirche. Von Alalapadu aus stellen die südlichen Ausläufer des Eilerts-de-Haan-Gebirges ein schönes, jedoch auch anstrengendes Ausflugsziel dar.



Das Dorf Kwamalasamutu
Kwamalasamutu, was „Bambussand“ bedeutet, wurde in den 1960er Jahren am Ufer des Sipaliwini-Flusses gegründet. In der Siedlung wurde eine Schule gebaut und mehrere Stämme schlossen sich der neuen Siedlung an. Der Ort entwickelte sich als regionales Zentrum zu einem der größten zusammengelegten indianischen Dörfer, in dem hauptsächlich Tiriyó und Wayana-Indianer in Stammesbeziehungen leben. Die Bevölkerung wird auf 800-1000 Personen geschätzt. Ein ropellerflugzeug braucht für die 400 km Strecke aus Paramaribo ca. 2 Stunden. Es kommen relativ viele Besucher nach Kwamalasamutu. Ihr Interesse gilt aber eher einer archäologischen Fundstätte in der Nähe. Hierfür wurde extra die Iwana Samu Rain Forest Lodge außerhalb des Dorfes ebenfalls am Sipaliwini-Fluss gebaut.



Die Werehpai-Höhlen
Die Werehpai-Höhlen ➔ 2°22'51.0"N 56°40'56.0"W sind eine Reihe von Felshöhlen aus Granitgestein. Um sie zu erreichen, ist zunächst von Kwamalasamutu eine ca. 45 min Bootsfahrt flussaufwärts zum Ausgangspunkt eines Dschungel-Wegs und dann noch eine etwa 5 km lange Wanderung erforderlich. Da dieser Weg oft benutzt wird, ist er in einem größtenteils ebenen Gelände relativ einfach zu beschreiten.
Mit 313 identifizierten Petroglyphen ist Werehpai die mit Abstand größte bekannte präkolumbische Petroglyphenstätte in Suriname und vielleicht die größte in ganz Amazonien. Es soll sich um die geheimnisvollen Spuren einer mehr als 5000 Jahre alten Zivilisation handeln. Das Durchqueren der Höhlen ist zwar recht einfach, erfordert jedoch vorsichtige Bewegungen, um sicherzugehen, dass keine der Felsmalereien gestreift werden.


